Altona 93 - Wedeler TSV 5:0 (7.10.2018, Oberliga Hamburg)

Adolf-Jäger-Kampfbahn von Altona 93

Etwa 35 Minuten sind es zu Fuß von Union Altona zum großen Nachbarn Altona 03. Ich schaffte es in 25 - angetrieben durch meine Absicht, möglichst viel von der Stadionmusik mitzubekommen. Denn meine Erwartungen an den Punk-Verein aus Altona waren enorm. Ausnahmsweise beginne ich daher diesmal auch mit der DJ-Ötzi-Hitmix-Wertung.

Eingangstor bei Altona 93
Die Setlist von Altona 93:

1. Cro - Whatever. Cro ist mir zwar ein wenig zu sehr in die Kleine-Mädchen-Schiene abgedriftet, aber ich mag ihn noch immer. Auch das Teil hier.
2. Kraftklub - Songs für Liam. Passt natürlich sehr gut zu Altona. Ebenfalls ein gutes Ding, auch nach mehrmaligem Hören.
3. Rebell der Welt - AFC, die Nummer 1. Für einen Oberligisten hat Altona verdammt viele eigene Songs. Der hier erinnert ein wenig an Deutsch-Rap aus den 90ern (Andre, korrigiere mich - hier ist das Ding zu hören). Man beachte Zeilen wie "Who the fuck is FCSP und HSV-Kommerz".
4. Gigi D'Agostino - The Riddle. Gefühlt der erste Song, der nicht hierhin passt. Ist beinahe Kirmes-Musik - oder überseh ich was?
5. Depeche Mode - Just Can't Get Enough. Klassiker, ein absoluter Klassiker! Und dank Celtic inzwischen auch im Fußball angekommen. Top!
6. Die Toten Hosen - Altes Fieber. Puuuh. Nichts gegen die Hosen. Aber dieses reine Mitgröl-Ding hier hat mich nicht mal im Ansatz gepackt.
7. Die Ärzte - Schrei nach Liebe. Steckt auch nach 25 Jahren noch voller Energie und Wahrheit. Ich find's ganz groß. Arschloch!
8. Serum 114 - Lass uns Feinde sein. Punk aus Frankfurt. Nie zuvor gehört, aber genau HIERFÜR bin ich gekommen. Serum 114 ist bekanntlich das Medikament aus Clockwork Orange. Schon dafür gibt es Punkte.

Anzeigetafel bei Altona 93
9. Royal Philharmonic Orchestra - The Good, The Bad and the Ugly. Joah, dann mal vier Minuten Klassik. Warum auch nicht...
10. AFC-Hymne ??? Angeblich wird vor jedem Spiel die AFC-Hymne von No Life Lost gespielt, dafür klang das hier aber, hmmm, zu wenig punkig. Auf alle Fälle ging es aber um den AFC :-)
11. Robert Miles - Children. Ich kann mich tatsächlich noch an den Moment erinnern, als ich Children das erste Mal gehört habe - es war in der Turbinenhalle in Oberhausen. Ein paar Stunden später stand ich beim CD-Dealer meines Vertrauens und hielt die Scheibe in der Hand. Großes Ding!
12. Die Toten Hosen - Venceremos, wir werden siegen. Ich muss gestehen: Kannte ich bislang nicht. Vielleicht ein bisschen arg auf Castro-Kuba-Romantik gedreht. Aber ich hab's mir jetzt fünfmal in Folge angehört. Kann also so schlecht nicht sein :-)
13. Falco - Out of the dark. Der große Falco! Unmittelbar nach seinem Tod veröffentlicht und der Beweis, wie genial der Mann war.

Fazit: Jetzt wird es schwer. Mir unbekannte Schätzchen waren ebenso dabei wie echte Klassiker, gute Vereinsmusik sowieso. Nur "The Riddle" störte. Egal, ich geb ne 1-, bedeutet also einen neuen Platz eins! Zum Gesamtstand.

Buntes Treiben auf dem Zeckenhügel

Zurück zum Fußball. Wer Altona 93 besucht, muss wissen, was ihn erwartet. Wer mit alternativen, äußerst linken Fans nichts anfangen kann, sollte besser daheim bleiben. Wer offen für diese Denke ist, fühlt sich hier einfach nur wohl.

Choreo im Black Bloc
Das fängt schon auf dem "Zeckenhügel" hinter dem Tor an. In der Mitte stehen Punks mit Bierflaschen, die ihre selbst gezimmerte Anzeigetafel mitgebracht haben. Rechts sitzen Familien mit kleinen Kindern auf Picknickdecken, und links stehen Oma und Opa mit AFC-Mütze. Umschlichen werden sie alle von einer ordentlichen Anzahl Hunden, die ebenfalls Spaß haben und bei jedem Tor lauthals jaulen.

Und dann sind da - natürlich - noch an jeder Ecke unzählige Aufkleber aus der linken Szene zu begutachten, die eine eigene Fotogalerie füllen könnten. Oder Fahnen mit Aufschriften wie "Fanclub Tourette de Mar. Sie Arsch" oder einfach nur "Altona ist Fußball". Um es mal mit Pur zu sagen: Das nicht zu mögen ist nicht leicht.

Fußball seit 1908

Und dann ist da noch das Stadion. Die Adolf-Jäger-Kampfbahn ist immerhin das zweitälteste noch bespielte Stadion in Deutschland (seit 1908, nach Stuttgarter Kickers). Dank der an Weihnachten 1958 eröffneten Tribüne, dem denkmalgeschützten Eingang von 1933 und der verwitterten Stufen gleicht der Besuch der oft bemühten Zeitreise in eine vergangene Fußball-Zeit.

Haupttribüne in der Adolf-Jäger-Kampfbahn
In Sachen Tradition ist Altona 93 ohnehin ganz vorne: Der AFC war Gründungsmitglied des DFB und 1903 sogar Gastgeber des ersten Endspiels um die deutsche Meisterschaft (VfB Leipzig - DFC Prag), das auf der nahen Exerzierweide ausgetragen wurde. Dort erinnert heute eine Schautafel an das historische Ereignis.

Altonas großer Sohn

Und Adolf Jäger? Für Altona 93 soll Jäger zwischen 1907 und 1932 um die 2000 Tore erzielt haben. 1924 wurde er mit seinem 18. Einsatz deutscher Rekordnationalspieler. Als das Stadion 1944 nach ihm benannt wurde, war er dabei. Wenige Monate später starb er bei der Entschärfung einer Bombe. Um sein Ehrengrab auf dem Altonaer Hauptfriedhof, direkt neben dem HSV-Stadion, kümmerte sich zuletzt die Fan-Abteilung von Altona 93.

5:0 hieß es am Ende vor 595 Zuschauern. Mit "Venceremos" im Ohr trat ich zusammen mit Punks und Co. auf die Griegstraße, um das dritte Spiel des Tages anzupeilen. Von links querten mehrere St. Pauli-Fans auf Fahhrädern den Weg, ihr Spiel gegen Sandhausen war 30 Minuten zuvor beendet worden. Mit ihren braunen Schals und Totenkopf-Shirts schauten sie alle kurz hinein in die sich leerende Adolf-Jäger-Kampfbahn.

Was sie dabei wohl gedacht haben?

Zeckenhügel Altona  Gras und Tribüne  Wer wie was?