Chievo Verona - Udinese Calcio 2:2 (Serie A, 11.11.2012)

Stadio Bentegodi in Verona

"Die Peripherie von Verona besitzt weder die luftige Gediegenheit der englischen Gartenvorstädte noch die knorrige Romantik der ganz und gar heruntergekommenen Stadtwüsten. Hier steht ein gesichtsloser sechsstöckiger Klotz neben dem anderen, ohne erkennbaren Plan links und rechts der breiten, schnurgeraden, ebenso gesichtslosen Straßen platziert (...)

Ultras Chievo Verona
Vielleicht, so schießt es mir durch den Kopf, war ja die Idee hinter diesem Vorort, der ja schließlich um das Stadium herum erbaut wurde, dass ein Ort von derartiger geistiger Ödnis die Menschen geradezu zwingen würde, am Wochenende zum Fußball zu gehen. Um ihre überbordende Fantasie zu demonstrieren, oder vielleicht als versteckten Hinweis auf ihre eigentliche Absicht, gaben sie dem Vorort den Namen stadio.

Warum auch nicht?"

(Aus: Tim Parks, Eine Saison mit Verona.)

Siebtgrößtes Stadion Italiens

Nun, schön ist Veronas Stadtteil "stadio" in der Tat nicht. Was durchaus überrascht, findet sich nur wenige Fahrminuten entfernt doch eine grandiose Altstadt mit grandiosen Sehenswürdigkeiten, darunter die fast 2000 Jahre alte Arena. 22.000 Zuschauer passen in das drittgrößte erhaltene antike Amphitheater der Welt, das Spöttern zufolge deutlich besser in Schuss ist als das Stadio Marcantonio Bentegodi. Und das wurde erst zur WM 1990 gründlich renoviert...

Chievos Stadio Bentegodi, Außenansicht
Vielleicht liegt es auch am Dauerregen (der wenige Tage später große Teile der Region unter Wasser setzen sollte), aber für den 1963 eingeweihten, nahezu kreisrunden Bau kann ich mich nicht besonders erwärmen. Es zieht, die Sicht ist mau, und alles wirkt irgendwie farblos. Einzig die Größe beeindruckt: Mit einem Fassungsvermögen von 42.160 ist das Bentegodi das siebtgrößte Stadion Italiens.

Nur 5000 Zuschauer bei Veronas Nummer zwei

Das ist für Chievo freilich viel zu groß. Auch am heutigen Nachmittag finden sich nur etwa 5000 Zuschauer ein. Auch im insgesamt elften Jahr in der Serie A sind die Gialloblu in der Stadt weiter nur die Nummer zwei, Stadtrivale Hellas hatte in der vergangenen Saison als Zweitligist pro Spiel fast 5000 Zuschauer mehr angezogen (14.000 zu 9.500). Auch aus Udine haben sich nur 400 Tifosi zum nahesten Auswärtsspiel der Saison auf den Weg gemacht.

Pyro bei 'Chievo Verona
Immerhin gibt es zum Intro eine Überraschung. Kurz vor Spielbeginn nehmen im eigentlich verwaisten Unterrang der Kurve etwa 15 Fans Aufstellung, in der Hand einen länglichen Stab. Die werden doch nicht? Doch, sie werden: In einer offenbar genehmigten Aktion (die Feuerwehr ist aufmerksamer Beobachter) gibt es zum Einlaufen ein wenig Pyrotechnik zu sehen. Wer hätte das gedacht. Und auch die Stimmung im kleinen, aber feinen Fanblock ist durchgehend gut, ab und an lassen sich auch die Gäste hören - das machte durchaus Laune.

Angella bringt Chievo-Fans zum Verzweifeln

Gleiches gilt auch für das Spiel. Zweimal bringt es Chievo fertig, eine Führung im Handumdrehen wieder zu verspielen. Was besonders nach dem umjubelten 2:1 in der 89. Minute und in Überzahl mehr als ärgerlich ist. Gabriele Angella heißt der Mann, der in der 91. Minute wie schon kurz vor der Pause die Partie ausgleicht. Die Chievo-Fans raufen sich verzweifelt die Haare - und treten fluchend den Heimweg an. Die meisten übrigens mit einer rosafarbenen Gazzetta unter dem Arm, die in der Kurve auf jedem Platz kostenlos ausliegt und quasi im Ticket eingeschlossen ist. Das gibt es (der Vollständigkeit halber) problemlos vorm Stadion am Schalter gegen Vorlage des Personalausweises (der beim Einlass auch brav kontrolliert wird).

Ohne Gazzetta, aber nach sechs Spielen an fünf Tagen treten auch wir gut gelaunt den geordneten Rückzug an. Von Bergamo aus geht es noch am Abend über Charleroi nach Hause. Schön war's.

Fans von Chievo Verona mit Bengalos  Italia 90 in Verona  Arena di Verona