Deutschland - England 1:2 (19.11.2008)

Das Ruhrstadion in Bochum

Kurze Rückblende: 7. Oktober 2000, England gegen Deutschland, Wembley-Stadion, kurz nach dem Anpfiff. 20.000 Engländer breiten ihre Arme aus, ahmen lautstark Motorenlärm nach und fliegen hin- und herschwankend virtuelle Luftangriffe in Richtung Gästeblock. Die Rivalität beider (Fußball-)Nationen ist in diesem Moment zum Greifen nahe. Über 90 Minuten herrscht eine knisternde Fußballatmosphäre, die dem Spiel erst den nötigen Kick gibt. Ganz egal, ob die Reminiszenz an Bomber Harris nun geschmackvoll ist oder nicht.

Anerkennung für eine kämpferische Leistung
"Thank you for inventing the beautiful game"

Seither hat sich viel geändert. Angefangen mit der englischen "Danke für 2006"-Choreo im vergangenen Jahr, gefolgt vom vorläufigen Höhepunkt jetzt in Berlin. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich soll Deutschland sich als guter Gastgeber präsentieren. Aber müssen deswegen im Stadion mehrere Plakate mit der Aufschrift "Thank you for inventing the beautiful game" hängen? Müssen vor Anpfiff "You'll never walk alone" und "Football's coming home" gespielt werden? Man stelle sich vor, in Gladbach wird demnächst vor dem Derby "Viva Colonia" gespielt. Vielleicht doch des Guten etwas zuviel.

Ob es an diesem Schmusekurs lag oder an der relativen Bedeutungslosigkeit des Spiels: Richtig Stimmung kam im Berliner Olympiastadion zu keinem Zeitpunk auf. Erst als in der zweiten Halbzeit laut und deutlich "Ha Ho He - Hertha BSC" ertönte und Gesangsduelle innerhalb der eigenen Fans ("Berlin, Berlin, wir sch**en auf Berlin") auslöste, war ein Hauch von hitziger Atmosphäre zu spüren. Die 7000 Engländer sangen derweil gefühlte 35-mal ihre Nationalhymne. Was immer wieder ein Erlebnis, aber auf Dauer auch nicht eben kreativ ist.

Historie und Moderne harmonisch vereint

Der erhoffte Fußball-Klassiker wurde das Spiel somit weder auf, noch abseits des Rasens. Mein persönlicher Held des Abends war daher auch kein Spieler, sondern das Olympiastadion. Um einen älteren Bericht zu zitieren: Die Arena überzeugt besonders, weil sie in einer einzigartigen Art und Weise historische Komponenten mit den modernen Ansprüchen einer WM-tauglichen Spielstätte kombiniert. Etwaige Skeptiker, die einen Verlust des ursprünglichen Erscheinungsbildes befürchteten, dürfen sich schon auf dem Fußweg zum Stadion vom Gegenteil überzeugen lassen: Durch den Abbau der 1966 errichteten und nun nicht mehr benötigten Flutlichtmasten gleicht die Außenansicht des Olympiastadions inzwischen sogar mehr dem Bild der Sommerspiele von 1936 als zuvor. Einzig die neue, von Außen jedoch eher unauffällige Dachkonstruktion, fällt dem aufmerksamen Beobachter in Auge. Auch in den Bereichen Fassade, Ehrentribüne und Marathontor wurden sämtliche Aspekte des Denkmalschutzes beachtet.

Anerkennung für eine kämpferische Leistung
Die wahre Leistung der Architekten offenbart sich folglich erst beim Betreten des Stadions. Neben der weltweit einzigartigen blauen Laufbahn, eine Reminiszenz an den Bundesligisten Hertha BSC, und der grauen Bestuhlung ist es das erwähnte Dach, das den Zuschauer in seinen Bann schlägt. Elf Prozent des Gesamtauftragwertes in Höhe von 242 Millionen Euro wurden alleine für dieses beeindruckende Werk verwendet. "Die Stahlkonstruktion wird von zwei Membranflächen überspannt, die jeweils rund 31.000 Quadratmeter groß sind. Die obere Membran besteht aus 76 Segmenten. Insgesamt 1158 Glasscheiben, jede etwa 200kg schwer, bilden den Abschluss des Daches. Das Dach selbst ruht auf 20 Baumstützen", heißt es hierzu vergleichsweise nüchtern in der offiziellen Stadion-Beschreibung. Für den Betrachter bleibt schlicht der Eindruck einer atemberaubenden Konstruktion.

Die Deutschen und ihr Nationalsport

Um den Kreis zu schließen zum Ausklang noch eine schöne Anekdote zum Thema Rivalität. Nach dem Scheitern der englischen Nationalmannschaft im WM-Halbfinale gegen Deutschland 1990 meinte Helmut Kohl, die Briten seien von Deutschland in ihrem Nationalsport geschlagen worden. Und was antwortete Margret Thatcher? “Richten Sie ihm aus, dass wir die Deutschen in diesem Jahrhundert schon zweimal in ihrem Nationalsport besiegt haben.” Geht doch.