Georgien - Montenegro 0:0 (Qualifikation zur WM 2010, 1.4.2009)

Marschrutka von Eriwan nach Tiflis
Zählt ein Länderpunkt eigentlich auch, wenn der Alkoholpegel die eigene Aufnahmefähigkeit bereits stark eingeschränkt hat? Ein wenig schäme ich mich ja schon. Aber, mal ehrlich: Hat man eine Wahl, wenn alle paar Minuten auf die deutsch-georgische Freundschaft, auf „unsere zukünftigen Ehefrauen“, ja selbst auf Angela Merkel angestoßen wird?

Einmal über den kleinen Kaukasus

Aber von vorne. Am Busbahnhof von Eriwan war die Marschrutka nach Tiflis schnell ausgemacht und für 6500 Dram (13 Euro) wurde das Gefährt bestiegen. Wie es der Zufall so wollte, war der Mini-Van mit uns beiden ausreichend gefüllt, und so ging es überpünktlich um 8.30 Uhr auf die holprige Reise Richtung Georgien. Kaum überraschend blieb unsere westeuropäische Herkunft nicht lange unbemerkt, und so entwickelte sich ein netter Austausch mit unserem Nachbarn Schota über Fußball, Frauen, Musik und natürlich auch den jüngsten Krieg zwischen Georgien und Russland. Schon interessant aus erster Hand zu hören, wie für zwei Stunden in Tiflis eine Massenpanik herrschte, da das (falsche) Gerücht von russischen Panzern vor den Toren der Stadt die Runde machte…

Aber auch ohne diese Anekdoten war die fünfstündige Fahrt ein Erlebnis für sich. Die Strecke durch das armenische Hochland und den kleinen Kaukasus ist einfach ein Hammer: Links und rechts türmen sich die Berge auf, ab und zu tauchen kleine Dörfer auf, während die Umgebung immer weißer wird. Am höchsten Punkt war selbst die Straße schneebedeckt – für den Fahrer freilich kein Grund, das Handy vom Ohr zu nehmen. Unsere Kamera leistete jedenfalls Schwerstarbeit.

Irgendwo in Nirgendwo Ort am Rande Kurz vor der Grenze

Irgendwann ging es dann auch wieder abwärts, in Sadakhlo wurde die Grenze unerwartet problemlos passiert, und 30 Minuten später war der schäbige Busbahnhof von Tiflis erreicht. Noch schnell mit Schota die Nummern getauscht, das eigene Schicksal in die Hand der Taxi-Mafia gelegt - und zehn Minuten später lagen wir um einen unverschämten Geldbetrag ärmer auf unseren preisgünstigen Hotelbetten.

Blick auf Tiflis
"Can I help you?"

Tiflis präsentierte sich bei Dauer-Sonnenschein einige Nummern attraktiver als Eriwan. Die teils spektakuläre Lage am Fluss Mtkwari, die verwinkelten Gassen der Altstadt, die zahlreichen Kirchen – hier lässt es sich aushalten. Größter Pluspunkt ist jedoch die Gastfreundschaft der Menschen. Nur ein Beispiel: Als wir am nächsten Tag etwas verzweifelt den richtigen Bus nach Mzcheta suchten, dauerte es keine Minute, und schon hieß es „Can I help you?“ Schnell das Problem geschildert, und schon führte uns der nette Herr einmal quer über den riesigen Platz, ging mit uns Tickets kaufen, brachte uns zum richtigen Bus und erklärte dem Fahrer auch gleich noch, wo er uns herauszulassen habe. Unser zaghafter Versuch, sich für die Hilfe erkenntlich zu zeigen, wurde im Keim erstickt. „No no, it’s Georgian!“, so die lapidare Antwort.

Im Bus waren wir so natürlich schnell als Deutsche identifiziert und wurden die nächsten 20 Minuten mit Fragen aus allen Richtungen bombardiert. Wo kommen wir her, was wollen wir hier so kurz nach dem Krieg, wie finden wir Georgien, und: „Zur Swetizchoweli-Kathedrale in Mzcheta müsst ihr erst links und dann rechts“. Sagen wir es einmal so: Die Mutter Georgiens, die riesige Statue oberhalb der Stadt, hält nicht zu Unrecht ein Glas Wein als Zeichen der Gastfreundschaft in den Händen!

Vorglühen auf Georgisch
Bier aus dem Schlauch und georgische Trinskprüche

Nachdem am Montag und Dienstag also dem Sightseeing in und um Tiflis die Aufmerksamkeit galt, stand am Mittwoch endlich König Fußball auf dem Programm. Das mögliche U 21-Spiel um 14 Uhr im nahen Rustawi wurde allerdings kurzerhand von unserem Plan gestrichen, hatte doch Schota per SMS zum Wiedersehen geladen. Da lässt man Fußball dann halt mal Fußball sein. Eine Stunde später winkte unser neuer Freund dann auch schon aus dem Auto und fuhr mit uns gleich zu einer Sehenswürdigkeit, die wir noch nicht kannten: Die Kazbegi-Brauerei, wo man sich das Bier direkt aus dem Schlauch in die mitgebrachte Flasche füllen lassen kann. Oder in den Kanister, je nach Bedarf… Bezahlen durften wir natürlich nicht...

Im Laufe des Nachmittags stießen immer mehr Bekannte zur Gruppe, die Gespräche führten von Hölzchen auf Stöckchen, und wir wurden unvermeidlich in die georgische Tradition der Trinksprüche eingeführt. Wir selbst mussten freilich auch unseren Beitrag leisten, über den hier aber besser der Mantel des Schweigens gelegt wird.

Ehe wir uns versahen waren wir mehr als angeheitert und das Spiel stand vor der Tür. Einige Kollegen wollten aus finanziellen Gründen nicht mit, sodass nun die Zeit zur Revanche gekommen war und ich ermuntert durch den Alkohol die ganze Runde ins Stadion einlud. Gut, dass die Tickets nur 5 Lari (ca. 2,50 Euro) pro Stück kosteten :-)

Das Boris-Paitschadse-Stadion in Tiflis

Womit wir beim Fußball wären. Das riesige Boris-Paitschadse-Stadion, 1976 für den Vorzeige-Klub Dinamo Tiflis errichtet, fasst heute "nur" noch 55.000 Zuschauer, ist durch seine schiere Größe aber weiterhin beeindruckend.

Das Boris-Paitschadse-Stadion aus der Ferne
Ausverkauft ist die Betonschüssel jedoch nur noch selten: Die offiziellen 30.000 waren gegen Montenegro nie und nimmer da, ich tippe mal eher auf die Hälfte. Gästefans hatten wir zuvor in der Stadt ein paar gesehen, im Stadion jedoch war kein echter Fan-Block des jüngsten FIFA-Mitgliedes auszumachen.

Kaum Torszenen, null Tore

Das Spiel lässt sich mit einem einzigen Wort beschreiben: Enttäuschend. Schota und Co. taten mir beinahe leid, da sie sich immer wieder für die Darbietung entschuldigten. Auch mit eingeschränkten Sinnen ließ sich nicht eine echte Torchance ausmachen, die Männer um Schalkes Lewan Kobiaschwili enttäuschten auf ganzer Linie. Logische Folge: ein 0:0 (---> Highlights).

Nach dem Spiel war dann die Zeit des Abschieds gekommen. Didi madloba, vielen Dank für alles! Für uns ging es noch ein paar Stunden ins Bett, selbst das Schnarchen des Mitfahrers störte diesmal nicht, und dann hieß es auch schon raus aus den Federn und mit dickem Schädel, aber ohne Reiseführer – den hatte ich irgendwo im Rausch verloren – ab zum Flughafen. Nächster Stopp: Baku.

Die Swetizchoweli-Kathedrale in Mzcheta Blick auf die Altstadt von Tiflis Dreifaltigkeits-Kathedrale in Tiflis bei Nacht