Germania Gladbeck - VfL Bochum II 0:3 (Oberliga Westfalen, 30.9.07)

Die Vestische Kampfbahn oder auch Stadion Gladbeck

Fangen wir an mit einem Zitat. Das spart Zeit und klingt intelligent:

"Gladbeck schuf 1928 dank Notstandsarbeiten die Vestische Kampfbahn. Die Anlage mit drei markanten Eingangsbauten aus Ruhrsandstein heißt heute Stadion Gladbeck und wurde als 'bedeutendes Zeugnis der Sportgeschichte im Bundesgebiet' unter Denkmalschutz gestellt. Sie ist leider weitgehend unbekannt, weil dort abgesehen vom Gastspiel des STV Horst-Emscher in der Oberliga West-Saison 1950/51 nie eine erstklassige Fußballmannschaft zu Hause war. Wer allerdings unter den 'Groundhoppern' - einer Spezies, die Stadionbesuche 'sammelt' - Sinn für Architektur hat, sollte unbedingt einmal den Weg dorthin machen. (aus: Im Land der tausend Derbys. Die Fußball-Geschichte des Ruhrgebiets.

Blick vom Haupttor nach links

Nun, es lag weniger an meinen Schwächen im Thema Baukunst als am Fehlen höherklassigen Fußballs, der bisher einem Besuch in Gladbeck im Weg stand. Das ist seit dem Sommer 2007 anders: Nach dem Oberliga-Aufstieg sah sich die heimische Germania zu einem Standortwechsel gezwungen und haucht nun einem der bemerkenswertesten Stadien des Ruhrgebietes endlich wieder Leben ein.

"Expressionistische und gründerzeitliche Formen"

Alleine das Fassungsvermögen beeindruckt: 37.612 Menschen passen noch heute in das weitläufige Rund, der weitaus größte Teil (36.292) auf die Stehstufen. Der Zuschauerrekord liegt gar bei 45.000, aufgestellt im Jahr 1950 bei Borussia Dortmund - VfR Mannheim in der Endrunde um die deutsche Meisterschaft. Entstanden ist die beeindruckende Kampfbahn zwischen 1925 und 1928 als Volkserholungsstätte, flankiert von einem Freibad, Stadtgarten und weiterem Schnick-Schnack. Für alle Architekturstudenten: "Die ungewöhnliche ehemalige Vestische Kampfbahn in Gladbach (steht da wirklich...) wurde von Josef Korte errichtet. Durch die Verschmelzung expressionistischer und gründerzeitlicher Formen wurde bewusst ein ländlicher Charakter gesucht", heißt es auf der Homepage der Internationalen Architektur-Datenbank archINFORM. Soso.

Das Haupttor der Vestischen KampfbahnWas auch dem Laien direkt ins Auge sticht, sind die eingangs erwähnten Eingangstore (hach, welch Wortwitz!). Der Haupteingang, das größte der drei Torgebäude, befindet sich im Süden, die beiden anderen im Nordwesten und Nordosten. Durch alle drei kann noch heute das Stadion betreten werden, zudem bietet sich von hier eine gute Aussicht über die gesamte Anlage. Bei einem Rundblick fällt allerdings auch auf, was dem Stadion Gladbeck zu einer absoluten Kult-Stätte noch fehlt: Ein wuchtige, überdachte Haupttribüne, wie sie etwa in Herne oder geographisch noch näher im Fürstenbergstadion steht. Stattdessen sind nur ein paar rote Sitzschalen auf einer Gegengeraden montiert.

"Schlümpfe-Chor" zeigt sich sangesfreudig

Zurück in die Gegenwart: Sowohl Aufsteiger Germania als auch der heutige Gegner aus Bochum sind gut in die Saison gestartet und finden sich nach sieben Spieltagen im oberen Tabellen-Drittel wieder. Auf dem Spielfeld ist dennoch ein Klassenunterschied festzustellen: Die Zweitvertretung des Bundesligisten ist klar überlegen, geht in der 33. Minute in Führung und macht nach der Pause mit einem Doppelpack den Sack zu. Damit gelingt dem VfL der Sprung auf Rang zwei, hinter den in dieser Saison scheinbar übermächtigen Preußen aus Münster.

Mächtige Stehtraversen

Der Zuschauerzuspruch ist mit 400 Interessierten leider nur sehr gering, aber immerhin finden sich auf beiden Seiten sangesfreudige Fans: Bei der Germania feuern etwa zehn gut gelaunte Anhänger ihre Farben an, auf der Gegenseite finden sich sogar 30 Amateur-Freunde ein - über 90 Minuten beobachtet von drei Polizisten. In der zweiten Halbzeit schicken sich beide Gruppen sogar einige Botschaften hin und her (wobei das Gladbecker "Schlümpfe-Chor" als Antwort auf die wohl italienisch inspirierten "Lalalalala"-Gesänge den ersten Preis gewinnt), so dass für Unterhaltung gesorgt ist.

Nun denn: Hören wir an dieser Stelle auf, wie wir angefangen haben - mit einem Zitat: "Auf einem der schönsten Fleckchen des Industriegebiets prangt die Vestische Kampfbahn in frischem Frühlingsgrün, umrahmt von den hohen Baumkronen des Wittringerwaldes, ein Wahrzeichen unbeugsamer Schaffenskraft und Schaffensfreude unserer jungen Industrie- und Gartenstadt". So sprach 1928 Oberbürgermeister Dr. Jovy zur offiziellen Einweihung. Schöner kann man es auch fast 80 Jahre später nicht ausdrücken.