VfR Neuss - DJK Novesia Neuss 1:0 (Kreisliga A, 2.5.2013)

Stadion Hammer Landstraße in Neuss

"Tradition stirbt nie", steht in großen Lettern am Vereinsheim des VfR Neuss, und es klingt ein wenig trotzig für einen Klub, der bis in die Kreisliga A abgestürzt ist. Und ein wenig wehmütig. Denn so lange ist das noch gar nicht her mit Drittliga-Ambitionen und hohen Zuschauerzahlen bei dem 1906 gegründeten Verein.

Holztribüne beim VfR Neuss
Dass Tradition manchmal aber eben doch stirbt, erfährt der VfR in diesen Wochen auf die harte Tour. Denn das einzige, was heute die Tradition der Grün-Weißen noch ausmacht und sie von einem "normalen" Kreisligisten unterscheidet, ist das großartige Stadion an der Hammer Landstraße. Und eben jener Sportstätte droht im Sommer die Abrissbirne. Nicht zum ersten Mal, doch diesmal scheint die Lage ernster als je zuvor.

Thiele setzt auf Solidarität

150.000 Euro pro Jahr kostet der Stadion-Unterhalt derzeit. Zu viel, findet die Stadt Neuss und hat dem VfR zum Umzug nach Weckhoven geraten. Was VfR-Präsident Günter Thiele - genau, "Schädel" Thiele - geschockt aufnahm und sogar ein Bürgerbegehren ins Gespräch brachte: "Wir setzen auf die Solidarität der Neusser mit diesem Traditionsklub."

Stehplätze an der Hammer Landstraße
Nun, ganz unrecht hat Herr Thiele nicht. Denn das Stadion an der Hammer Landstraße, zumindest aber die wunderschöne Holztribüne, gehört schlichtweg auf die lange Liste Neusser Denkmäler. Bin ich voreingenommen? Wahrscheinlich. Habe ich trotzden recht? Aber ganz bestimmt.

13.500 Zuschauer beim "Spiel der Spiele"

Immerhin 1923 wurde die Tribüne gebaut, musste nach Schäden insbesondere im 2. Weltkrieg von Grund auf renoviert werden und wirkt heute wie aus einer Zeitmaschine in die Gegenwart transportiert. Alleine das aus Holz geschnitzte Vereinswappen - herrlich. Welcher Kranführer auch immer hier demnächst die Abrissbirne schwingen sollte, sollte besser kein Herz für Fußballstadien haben.

Flügel des Big Bird Stadium
Doch die Tribüne ist noch nicht alles. Gegenüber finden sich auf der gesamten Länge mehrere, viel zu breite Stufen, die noch gut in Schuss und zum Großteil sogar überdacht sind. In den Kurven schließlich wuchert Gras und Unkraut über den kaum noch zu erkennenden Stufen, zwischen all dem Grün lugt hier und da ein Geländer oder eine Treppe hervor. 12.000 Zuschauer passen hier hinein, 1967 kamen zur Regionalliga-Partie gegen Fortuna Düsseldorf (5:4 nach 1:3-Rückstand!) sogar 13.500!

Nach Derbysieg auf Aufstiegsplatz

Was fehlt, ist dagegen eine Fluchtlichtanlage. Als einzige Partie des Tages wird das heutige Derby daher schon um 19 Uhr angepfiffen, immerhin 60 Interessierte finden sich ein. Darunter auch ein paar Groundhopper, wie die VfR-Homepage nicht ohne Stolz ankündigt. Schön: Auch ein paar Aktive sind mit VfR-Fahne und Trommel dabei, überhaupt verfolgen die Treuen auf der Tribüne fast ausnahmslos mit großer Leidenschaft die Begegnung.

Als Belohnung gibt es gegen den Stadtrivalen Novesia - der im Jahnstadion spielt, wohin der VfR nach dem Krieg ausweichen musste - einen 1:0-Sieg und den Sprung auf Platz 2, der zum Aufstieg in die Bezirksliga berechtigt. Dem VfR wäre der Klassensprung zu wünschen - es wäre zumindest ein kleines Argument zum Erhalt dieses großartigen Stadions.

Sitzbänke beim VfR Neuss  Graswälle hinter den Toren  Tradition stirbt nie

Hammer Landstraße, Neuss