Chernomorets Odessa - Metalurg Zaporozhje 1:1 (Wischa Liga Ukraine, 3.5.2008)

Das Stadion Chernomorets in Odessa

Die Reise von Chisinau ins ukrainische Odessa gestaltet sich derzeit nicht ganz so einfach. Zwar liegen nur 180 Kilometer zwischen den beiden Städten, leider aber auch die abtrünnige und nach ihrem Selbstverständnis eigenständige Republik Transnistrien. Die Zugverbindungen sind daher eingestellt, einzige Möglichkeit der von uns gewünschten Reise über Nacht Ankunft am Hauptbahnhof in Odessa blieb der neunstündige "große Bogen" mit Umstieg in Kotowsk. Gesagt, getan: Um 23.00 Uhr hieß es Abschied nehmen von der moldawischen Hauptstadt und ab ging es im schon bekannten Vierer-Schlafabteil Richtung Osten. Als alte Hasen benutzten wir diesmal auch die Matratze in ihrem eigentlichen Sinn und NICHT wie noch in der Nacht zuvor als Decke... Ja, wir haben uns noch oft köstlich darüber amüsiert...

Grenzer hält die Hand auf

Die nächtliche Reise verlief auch dieses Mal nicht ungestört - leider. Denn unser Zug fuhr sehr wohl über Transnistrien, und beim Halt in der (Möchtegern-)Hauptstadt Tiraspol kam der heimische Grenzer in unser Abteil, schloss die Tür hinter sich und beklagte den fehlenden Ausreisestempel aus Moldawien in unseren Reisepässen. Ein Scherzkeks, der Herr: Diesen Stempel zu erhalten war (und ist) unmöglich, da wir uns offiziell ja weiterhin auf moldawischem Staatsgebiet befanden. Also erzählte der nette Uniformträger staatstragend etwas von "Aussteigen" und "Umkehren", wir stellten uns dumm, und am Ende bekam der Herr seinen eigentlichen Willen in Form von umgerechnet 10 Euro von jedem von uns. Ärgerlich, aber offenbar gängige Praxis.

Fans von Metalurg Zaporozhje in Odessa
Das nächste Problem: In Kotowsk angekommen fehlte uns nun genau dieses ukrainische Geld, um das Ticket für die Weiterfahrt nach Odessa zu lösen. Der einzige Geldautomat war nutzlos, und das Zeigen der Kreditkarte löste bei der Dame am Schalter nur ein Schulterzucken aus. Aber, oh Wunder: Ein Euro-Schein zauberte ein Lächeln hervor, schnell wurde der Taschenrechner gezückt, und zwei Minuten später hatten wir doch noch unsere Fahrkarten in der Hand. Auch die letzten zweieinhalb Stunden wurden zwischen schwitzenden Leibern überstanden, und um 8:09 Uhr war der Hauptbahnhof von Odessa erreicht. Keine 30 Minuten später holten wir bereits in unseren Hotelbetten den verpassten Schlaf der vergangenen zwei Nächte nach...

6500 Zuschauer im größten Liga-Stadion der Ukraine

Der Schlaf dauerte jedoch nur bis zum Mittag, schließlich wurde um 17 Uhr schon wieder gekickt. Am 28. Spieltag der Wischa Liga traf Chernomorets Odessa auf Metalurg Zaporozhje - sportlich leider äußerst reizlos, da für beide Seiten die Saison bereits gelaufen war. 6500 Zuschauer vermeldete der Verein immerhin, auch wenn die Zahl angesichts der leeren Ränge doch sehr optimistisch schien. Auf dem Rasen ging Odessa, einst übrigens Arbeitgeber der Ex-Borussen Igor Belanow und Andrej Woronin, schon in der zweiten Minute in Führung, kassierte nach mehreren vergebenen Chancen kurz vor Schluss aber den Ausgleich. Vielleicht sollten die Stürmer ja mal die "Igor Belanow Fußballschule" besuchen, die nur wenige Straßen weiter steht..

Das Stadion Chernomorets in Odessa

Das im Schewtschenko-Park gelegene Stadion Chernomorets - oft auch als "Tsentralnyi Stadion" oder gar "Chernomorskogo Morskogo Parohodstva (ChMP)" bezeichnet - ist mit einem Fassungsvermögen von 34.362 das größte Liga-Stadion des Landes, zählt 2012 aber dennoch nicht zu den vier ukrainischen EM-Schauplätzen. Noch besteht indes Hoffnung: Sollte eine der Arenen in Kiew, Donezk, Lemberg oder Dnipropetrowsk ausfallen, stünde Odessa bereit - ambitionierte Pläne für einen Umbau gibt es bereits. Der gegenwärtige Zustand reicht aber wohl noch nicht aus. Zwar präsentiert sich das zwischen 1936 und 1938 erbaute und 1967/68 modernisierte Stadion inzwischen als Allseater, die kaum vorhandene Überdachung (nur die VIP-Plätze sind vor Regen geschützt) dürfte den Ansprüchen aber kaum genügen. Unter dem Strich ist das Chernomorets dank großzügiger Laufbahn, der riesigen Fluter sowie der Lage im Park noch immer ein typisches osteuropäisches Stadien - was durchaus einen gewissen Charme beinhaltet.

Ultra-Boykott in der ersten Halbzeit

Ultra-Boykott bei Chernomorets Odessa in der ersten Halbzeit
Kommen wir zum Thema Fans. Die stimmgewaltigen Odessa-Anhänger versammeln sich in der Regel in Block 19, am äußersten Rand der Gegengerade. Das heutige Spiel jedoch begann mit einem 45-minütigen Boykott: Eine Halbzeit lang lagen einzig zwei große Blockfahnen über den Sitzen. Eine zeigte ein auseinander gebrochenes, schwarz-blaues Herz mit einem Dollar-Zeichen, auf der zweiten war ein grünes Spielfeld mit elf Punkten zu sehen. Auch ohne exakte Übersetzung des Spruchbandes (in etwa: "Keine Leistung, keine Stimmung") ist die Aussage eindeutig.

In der zweiten Halbzeit immerhin wurden die Zaunfahnen ("Ultras Odessa", "Sea Hunter", "Ultras Girls") entrollt und ordentlich Stimmung gemacht (---> Video), an der sich auch ein versprengter, 15-köpfiger Haufen am anderen Ende des Stadions beteiligte. Die etwa 150 Gästefans, im ersten Durchgang dank Schalparade und Spruchband gegen Polizeigewalt noch mit der alleinigen Stimmungshoheit, mussten sich daher der Überzahl beugen, um nach dem erwähnten späten Ausgleich doch noch einmal lautstark auf sich aufmerksam zu machen.

Erneuter Ärger und Weiterreise über Kiew in Richtung Weißrussland

Für uns begannen nun sechs fußballfreie Tage - an denen zunächst am Schwarzmeer-Stand von Odessa einmal mehr negative Erfahrung mit der Obrigkeit gemacht wurde. Das Problem in Kürze: "Stopp! Eure Pässe bitte" - "Die hat unser Hotel behalten" - "Das ist ein Problem. Dann bekommt ihr ein Protokoll...(Pause)...welches wir natürlich gegen ein kleines 'Präsent' vergessen könnten"... Also wieder 5 Euro pro Person futsch. Korruption allez! Nach einer weiteren Nacht im rappelnden Zug - diesmal ohne unliebsame Überraschungen - standen zwei Tage im sehenswerten Kiew auf dem Programm (wo ein Zweitiligaspiel auf dem Dinamo-Trainings-Gelände durch unser Raster fiel), ehe die mit Spannung erwartete Weiterreise nach Weißrussland nahte.

Anzeigetafel im Stadion ChernomoretsImpression aus dem Stadion Chernomorets in OdessaKlosterkirche St. Michael in Kiew