Leipzigs Stadionlandschaft ist schier unerschöpflich. Neben der roten Disco-Bude von RB stechen natürlich die Heimstätten von Lok und Chemie heraus, aber damit nicht genug. Am heutigen Sonntag hatte ich die Wahl zwischen der alten Holztribüne bei Fortuna Leipzig und dem altehrwürdigen Stadion des Friedens. Den Zuschlag erhielt letzteres, auch wenn es knapp war.
20.500 Zuschauer fasst die Schüssel noch immer - in der
Liste der größten Fußballstadien in Deutschland bedeutet das aktuell Rang 46. Einst waren es sogar 50.000, als es zu DDR-Zeiten für einige große Spiele genutzt wurde.
30.000 beim Derby
Der Rekord steht bei 30.000 - aufgestellt beim Derby zwischen Lok und Chemie 1983, als das Stadion des Friedens wegen des nicht bespielbaren Rasens im Zentralstadion als Ausweichspielstätte herhalten müssen. Das Derby am 27. August 1983 hat noch heute vor allem bei Lok-Fans einen besonderen Stellenwert, damals kam es rund um das Stadion des Friedens zu schweren Ausschreitungen.
An jenem Tag, so ist es zu lesen, kippte sowohl auf dem Rasen als auch auf der Straße die Vorherrschaft in der Stadt, 300 Lokisten hielten 1000 Chemikern stand. Im Buch "Von Athen nach Althen" des Szenekenners Thomas Franke wird ein namenloser Lok-Fan zitiert: "Wir nahmen uns jedes Haus einzeln vor, in jeden Scheißkeller stiegen wir, holten die raus und haben die zusammengefaltet."
Bayerns erster Streich
Ebenfalls bemerkenswert ist, dass die Bayern im Mai 1932 auf dem Weg zu ihrer ersten Meisterschaft eben hier in Gohlis ihr Viertelfinale gegen PSV Chemnitz bestritten. Damals, genau genommen seit der Eröffnung 1923, hieß das Rund noch nach dem ersten Hausherren "Wacker-Stadion". Die Umbenennung erfolgte wohl 1952/1953.
Der Hinweis bei
Wikipedia, dass hier 1926 "ein neuer 100-m-Weltrekord in 10,3 Sekunden durch König (Breslau) aufgestellt" wurde, ist dagegen nicht ganz korrekt. Erstens hieß der Mann Körnig, Helmut Körnig um genau zu sein, und zweitens war der Rückenwind zu stark.
Anderen Quellen zufolge wurde "bei der Zeitmessung statt einer Zehntelsekunde eine Fünftelsekunde berücksichtigt, weshalb ihm ein Ergebnis von 10,4 Sekunden gutgeschrieben wurde". Nunja.
Stehränge ohne Ende
Heutiger Hausherr im Stadion des Friedens ist die SG Motor Gohlis-Nord, die sich als Nachfolger des 1945 aufgelösten SC Wacker 1895 Leipzig sieht - der dem Stadion wie erwähnt seinen ersten Namen gab. In der DDR stand "MoGoNo" indes immer im Schatten der großen Lokalrivalen.
Heute ist das Stadion der Star: Schon das Eingangstor ist ein Träumchen, und innen überzeugt die schiere Wucht. Stehränge wohin das Auge sieht - mal mehr, mal weniger bewuchert. Dazu 500 unüberdachte Sitzschalen. Schade nur, dass der starke Nebel die Sicht doch erheblich beeinträchtigte - und zudem nur gerade einmal 20 Zuschauer das Rund füllten, die immerhin sieben Tore zu sehen bekamen. Dabei lohnt die Reise in den Norden Leipzigs absolut.