SV Wiesbaden - OSC Vellmar 1:1 (Hessenliga, 21.8.2013)

Helmut-Schön-Sportpark in Wiesbaden

Als der kleine SV Wehen im Herbst 2006 den Umzug in die Landeshauptstadt Wiesbaden verkündete, hielt sich die Begeisterung beim Traditionsverein SV Wiesbaden eher in Grenzen. Und das ist noch höflich ausgedrückt.

Tribüne in Wiesbaden
"Der Sportverein Wiesbaden von 1899 ist dem Untergang geweiht", hieß es in einer Stellungnahme des Fanclubs Bagaasch-Wiesbaden, der die Finanzstärke des Erzrivalen aus dem 15 Kilometer entfernten Taunusstein fürchtete. Und gleich eine zweite Prognose wagte: "Es ist verblendet zu glauben, der SV Wehen könne dauerhaft seinen Namen behalten. In irgendeiner Form wird mit Sicherheit ein 'Wiesbaden' eingebaut werden, allein schon, um sich ein wenig städtischen Anstrich zu geben"

Ticket mit Helmut Schön
Tradition im Schatten des Nachbarn

Nun, mit letzterer Prognose sollten die Fans bekanntlich recht behalten. Mit der ersten - zum Glück - nicht. Denn der SV Wiesbaden ist nach Aufstiegen in den Jahren 2011 und 2013 heute immerhin wieder fünftklassig. Für einen ehemaligen Zweitligisten (1950 bis 1962) mag das bescheiden klingen. Für einen Verein, der 1994 den Spielbetrieb einstellte und in der untersten Liga neu begann, ist die Hessenliga dagegen durchaus ein Erfolg.

Die Gegensätze zwischen dem SVW und dem SVWW, sie könnten dennoch größer kaum sein. Um das zu sehen, reicht ein Besuch an der Berliner Straße im Osten der Stadt. Dort also, wo die Stadien beider Klubs nur einen Einwurf voneinander entfernt stehen, wenn überhaupt. Hier eine Arena mit Plastiksitzen, dort ein altes Leichtathletik-Stadion mit Stehrängen. Hier eine zahlungskräftige Firma als Namensgeber, dort ein alter Mann mit Mütze, der auch auf den Eintrittskarten zu sehen ist.

Neues Dach an der Berliner Straße
Erinnerung an Helmut Schön

Helmut Schön heißt jener Mann, war bekanntlich einst Bundestrainer und als solcher 1974 Weltmeister. Schön begann seine Trainerlaufbahn 1951/1952 beim SV Wiesbaden und blieb der Stadt Zeit seines Lebens treu: 1996 starb er in Wiesbaden, seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Nordfriedhof, und 2009 wurde das Stadion an der Berliner Straße in Helmut-Schön-Sportpark umbenannt – inklusive hübschem Eingangstor und Büste vor dem Stadion.

Jenes Stadion wurde bereits 1907 (!) errichtet und hätte durchaus auch dem SV Wehen eine Heimat bieten können. Der wollte allerdings – durchaus verständlich – lieber ein schniekes Zuhause. "Wie sollen wir als stadtfremder Verein Zuschauerpotenzial wecken, wenn man in einem Stadion mit Laufbahn spielt, indem die Leute ein Fernglas mitbringen müssen, um etwas zu sehen?", sagte der damalige Vizepräsident Rainer Wehner im Stadionwelt-Interview.

Eingang zum Helmut-Schön-Sportpark
Fünf Jahre zu spät für das Holzdach

Immerhin blieb das alte Stadion so nahezu unverändert - einzig die Umgebung wurde wegen der Arena des neuen Nachbarns komplett umgestaltet. Erst 2008 kam es zu einer leider signifikanten Renovierung: Das Holzdach der historischen Tribüne wurde abgetragen und durch ein neues ersetzt, dem noch immer sehenswerten Bau ging so ein wenig Charme verloren. Zusammen mit den zahlreichen, das gesamte Stadion umrundenden Stufen beeindruckt der Helmut-Schön-Sportpark noch immer, das Fassungsvermögen von 11.500 (einst gar 25.000) zeugt davon. Einziges Manko ist, wie so oft, die wegen der Laufbahn eingeschränkte Sicht.

Noch 30 Minuten vor Anpfiff ist jene Laufbahn mit Hobby-Sportlern voll belegt, erst mit dem Einlaufen der Mannschaften übernimmt König Fußball das Kommando. 450 Zuschauer sind es offiziell, die am 6. Spieltag zum Heimspiel gegen Vellmar gekommen sind. Besonders schön: Etwa 20 Fans sind in den ungewöhnlichen Vereinsfarben Orange-Blau gekleidet - den traditionellen Farben des Herzogtums Nassau, dessen Hauptstadt Wiesbaden einst war. Auch ein paar Sprechchöre gibt es ab und an, inklusive Lästereien über den Nachbarn. Insgesamt also durchaus ein unterhaltsames Fußballerlebnis am Mittwochabend.

Neu und alt
Bleibt der Blick auf die Stadionmusik. Der bringt heute, so viel sei verraten, einige Überraschungen mit...

Die Setlist des SV Wiesbaden:

1. Daft Punk - Get Lucky. Von der Kritik verrissen, von der Masse geliebt. Ich gehöre zur Masse.
2. Carly Rae Jepsen - Call Me Maybe. Mit nur drei Zeilen einen Hit schaffen - hier klappt es. Etwas nervig, aber noch okay.
3. Lykke Li - Follow Rivers. Auch wenn ich mich jetzt angreifbar mache: Der beste Song 2013.
4. ??? - ???. Ein Standard-Vereinslied mit Zeilen a la "SV Wiesbaden, mein Verein" und "Dein Blau und dein Orange". Kennt das wer?
5. Die Toten Hosen - Tage wie diese. Geschaffen zum Mitgrölen. Zum Beispiel beim Fußball. Daher hier und heute okay.
6. Oliver Koletzki feat. Fran - Hypnotized. Uh, das nächste geile Teil. Kurz vorm Sonnenuntergang sogar noch geiler. Top.
7. Nuyorican Soul ~ I am The Black Gold of The Sun. Kannte ich nicht, hab's aber direkt ins Herz geschlossen. Relax-Musik von 1997.

Fazit: Jetzt wird es ernst. Vor allem wegen 6. und 7. (aber nicht nur), ziehe ich die 2+, für einen Sommerabend war das groß und sogar überraschend. Ab sofort muss RW Oberhausen Rang eins teilen. Zum Gesamtstand.

Alt und neu  Fans des SV Wiesbaden  Abendstimmung beim SVW