VfL Jüchen-Garzweiler - VdS Nievenheim 1:4 (Landesliga Niederrhein, 25.5.2016))

Tagebau Garzweiler

Der VfL Jüchen-Garzweiler ist auf den ersten Blick ein 08/15-Verein - wäre da nicht das Wörtchen "Garzweiler", das auf eine außergewöhnliche Geschichte hoffen lässt. Und tatsächlich: Der weit über den Niederrhein hinaus bekannte Tagebau Garzweiler hat nicht nur viele Menschen und ganze Dörfer einst zu einer Umsiedelung gezwungen, sondern auch einen Fußball-Verein.

Häuser in Immerath
Genau genommen ist Garzweiler noch heute ein streitbares Projekt, das Schicksale bestimmt. War es in den 80er Jahren eben jenes Dorf Garzweiler, das erst verlassen und dann weggebaggert wurde, sind heute Nachbarorte wie Borschemich oder Immerath dran. Und so nahm ich eine Abfahrt früher und warf einen Blick auf eben jene "Lost Places", die diesen Namen wahrlich verdient haben.

"Ein Teil des Ortes ist noch bewohnt"

Ein wenig komisch ist die Fahrt schon, zumal direkt am Orteingang ein ungewöhnliches Schild hängt. "Ein Teil des Ortes Immerath ist noch bewohnt. Diese Situation ist für die verbliebenen Einwohner nicht leicht; jede weitere Störung ist eine Belastung", ist dort zu lesen, gefolgt von: "Zum Schutz der Privatsphäre sowie der Ruhe im Ort sollten Sie im Interesse der Immerather Bürger auf eine Fahrt durch den Ort verzichten." Im Lustigen Taschenbuch hätte an dieser Stelle gestanden: Schluck.

Stadion Jüchen
Nun ja, eine Schnelldurchfahrt wagte ich dennoch. Die Szenerie ist in der Tat bedrückend: Sämtliche Häuser sind verbarrikadiert, die längst entweihte Kirche bröckelt bereits, die Tür der Bäckerei ist zugemauert. Und direkt hinter dem Ortausgang lugt einer der riesigen Schaufelradbagger aus dem künstlichen Krater, als wolle er sagen: Nicht mehr lange, dann bin ich da. Uff.

Ein Verein zieht um

Garzweiler hat das alles schon hinter sich, und damit auch der VfL Eintracht 08. In der Vereinschronik ist unter anderem für die 80er Jahre zu lesen: "Die Umsiedlung bewirkte, dass eine ganze Reihe von Spielern nicht mit an den neuen Standort zogen, sondern mit ihren Familien das Dorf zum Teil sehr frühzeitig verließen." Tatsächlich hatte der Klub 1987 faktisch keine Jugendmannschaft mehr. 1988 folgte notgedrungen der Abschied vom alten Rasenplatz in Garzweiler, im Februar wurde im weiter nördlich gelegenen "Neu-Garzweiler" mit einem Spiel gegen den damaligen Oberligisten Rheydter SV der neue Platz eröffnet.

Stadion Jüchen
Dort kickte der Klub aber nur ein Jahr, weil "der Platz in Neu-Garzweiler durch seine geringen Ausmaße schlecht für den Spielbetrieb im Seniorenbereich geeignet" war (Chronik), und wurde Untermieter beim Nachbarn FC Viktoria Jüchen. Die Annäherung resultierte 1994 in einer Fusion beider Klubs zum heutigen Verein. Unter dem Strich also ein Zusammenschluss "im Zuge des Braunkohleabbaus". Schöne Geschichte, oder?

100 Zuschauer, fünf Tore

Heute ist der Verein immerhin Landesligist, das letzte Heimspiel der Saison wird "aufgrund des Kirmeswochenendes in Jüchen" (sic!) an einem Mittwoch ausgetragen. Zu Gast ist der Lokalrivale aus Nievenheim, für beide Teams geht es quasi um nichts mehr. Offiziell 100 Zuschauer sind gekommen und sehen ein für Landesliga-Verhältnisse überraschend starkes Spiel der Gäste.

Die Bezirkssportanlage Jüchen existiert seit Mitte der 1960er Jahre, liegt etwa 700 m vom Kraterrand entfernt und ist ansonsten eher unsepktakulär: Ein paar Stufen, ein kleiner Unterstand ein sanfter Grashügel. Das Fassungsvermögen dürfte dennoch über den offiziell 1000 liegen. Direkt nebenan liegt übrigens ein Naturrasen-Platz, auf dem parallel ein Kreisliga-B-Spiel läuft. Gar nicht so einfach, sich zu entscheiden.

Alles in allem ist der VfL Jüchen-Garzweiler also durchaus ein 08/15-Verein - wäre da nicht das Wörtchen "Garzweiler".

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