FK Darida 2000 - Dinamo Minsk 0:3 (Weißrussland, 1. Liga, 10.5.2008)

Das Stadion Darida in Minsk

Ein Besuch in Weißrussland ist in gewisser Weise eine kleiner Zeitreise. "Nur in Weißrussland - wo noch immer der KGB Telefongespräche abhört und die Menschen nur hinter vorgehaltener Hand über Politik sprechen - fühlt man sich, als hätte der Kalte Krieg nie geendet",
Weißrussische Soldaten vor Ankündigungstafeln für die Feierlichkeiten des Victory Day
schreibt etwa der Reiseführer Lonely Planet - und rät genau aus diesem Grund zu einer Reise nach Belarus. Nun denn.

Zwar erwies sich die Visa-Erteilung als etwas komplizierter als etwa für Russland, dennoch stand letztlich der 14-stündigen Zugreise von Odessa mit Umstieg in Gomel bis nach Minsk nichts im Wege. Bis auf sprachliche Hürden beim Ticket-Kauf vielleicht, aber mit Stift und Papier sowie Händen und Füßen ließ sich auch dieses Hindernis überwinden.

Dass in Weißrussland die Uhren tatsächlich etwas anders ticken, wurde uns schon am Tag der Anreise deutlich: Die Abendnachrichten zeigten Bilder von einer Militärparade mit Panzern, Kampfjets und vielen, vielen Uniform-Trägern, die sich gegenseitig feierten. Was wirkte wie ein Bericht aus längst vergangenen Tagen, war tatsächlich erst ein paar Stunden alt: Am Nachmittag hatte Minsk - ebenso übrigens wie Moskau - den "Victory Day" gefeiert, also das Ende des 2. Weltkrieges am 9. Mai 1945. Beinahe schade, dass wir jenes Ereignis nicht bedacht und somit verpasst hatten. Immerhin zeugten riesige Ankündigungstafeln und zahlreiche rote Sterne auch noch an den nächsten Tagen von der Parade.

"Heimspiel" für Dinamo vor 2200 Zuschauern

Die Millionenstadt Minsk zählt nicht gerade zu den schönsten Vertretern ihrer Art, wurde sie doch nach der beinahe vollständigen Zerstörung ab 1945 im sozialistischen Stil wieder aufgebaut.
Etwa 600 Fans von Dinamo Minsk beim Spiel gegen Darida 2000
Im Klartext bedeutet das: Plattenbauten, wohin das Auge sieht. Das gilt auch und gerade für den westlichen Stadtteil Kunstsaushchyna, wo der Erstligist FC Darida 2000 beheimatet ist. Die Jahreszahl verrät bereits: Auf eine lange Tradition kann der Klub nicht gerade verweisen. Dafür aber auf einen recht schnellen Aufstieg: Im Jahr 2000 noch Drittligist, folgten rasch zwei Beförderungen, und seit 2003 spielt der FC Darida ohne Unterbrechung im Oberhaus. In diesem Jahr könnte es aber wieder abwärts gehen: Nur ein Punkt aus den ersten fünf Spielen bedeuteten vor der Begegnung gegen den großen Nachbarn Dinamo Minsk den letzten Tabellenplatz.

Dass der FC Darida eher ein künstlicher Klub ist, wurde auch bei einem Blick in dessen Heimstätte deutlich. Zwar garantiert das Stadion Darida als reiner Allseater mit 6000 Plätzen durchaus einen gewissen Komfort, Charme ist jedoch Mangelware. Eher drängte sich uns der Eindruck auf, die erst 2005 eröffnete Arena wäre im Baukasten-Verfahren und in aller Schnelle auf das Feld gesetzt worden. Auch die am Spielfeldrand im Meter-Abstand positionierten Polizisten sorgten nicht gerade für eine gemütliche Atmosphäre. Der Eindruck eines Kommerzklubs festigte sich noch bei einem Blick in die Kurven: Gerade einmal 15 Darida-Fans versammelten sich im Fanblock hinter zwei Zaunfahnen, wo immerhin für ein wenig Stimmung und mit Hilfe von vier Stoffbahnen sogar für eine etwas skurrile Choreographie gesorgt wurde.

Wesentlich mehr los war auf der gegenüber liegenden Tribüne, wo sich die etwa 600 stimmgewaltigen Dinamo-Fans versammelt hatten. Zwar ließen diese bis zum Anpfiff nichts von sich hören, mit Spielbeginn startete jedoch ein überraschend lauter Support (---> Video). Schön anzuhören auch die Wechselgesänge

Die Heimtribüne im Stadion Darida
mit den Zuschauern auf den Gegengeraden - weit mehr als die Hälfte der 2200 Besucher drückte Dinamo die Daumen und verwandelte die Begegnung so in ein Heimspiel. Entsprechend trat der siebenmalige Meister Weißrusslands, der 1982 sogar den sowjetischen Titel gewinnen konnte, auch auf: Dem frühen 1:0 folgte in der zweiten Halbzeit zwar eine kurze Schwächephase, durch zwei Tore kurz vor Schluss machte Dinamo aber den Sack zu und klettert in der Tabellen weiter nach oben.

KGB-Hauptquartier, Lenin-Statue und betongraue Paläste

Damit war das Fußball-Kapitel unserer Reise beendet - zumindest fast, denn am Sonntag tat ich mir noch die letzten 25 Minuten des Drittligaspiels Zvezda-BGU gegen Miasokombinat im Stadion Zvezda-BGU an, hatte mich jedoch schon im Vorfeld entschieden, diese Liga nicht zu zählen. Somit gehörten die letzten Tage dem Sightseeing in Minsk - wie erwähnt eher eine skurrile Stadt, aber vielleicht gerade deswegen so interessant. Noch einmal der Lonely Planet: "Keine Frage: Es gibt auf der Welt keine Stadt wie Minsk. Wo sonst kann man Sushi essen und anschließend die Straße wechseln, um das KGB-Hauptquartier mit Schneebällen zu bewerfen?" Den absurden Gesamteindruck komplettieren der betongraue Palast der Rebublik, die zahlreichen von Hammer und Sichel gekrönten Heldendenkmäler sowie das einstige Wohnhaus des vermeintlichen Kennedy-Mörders Lee Harvey Oswald. Strange.

Am Dienstag ging es schließlich nach Riga - diesmal per Flugzeug - und von dort nach einer (zu) kurzen Nacht zurück in Richtung Düsseldorf. Fazit: Nicht nur der drei Länderpunkte sondern insbesondere der vielen Eindrücke wegen eine absolut gelungene Tour.

Ankündigung zum Spiel Darida 2000 gegen Dinamo MisnkEigenwillige Choreographie der Fans von Darida 2000Panzer aus dem 2. Weltkrieg vor dem Gebsüde der Offiziere