Eigentlich kaum zu glauben, aber dennoch wahr: Das größte Stadion Europas stand bisher noch nie auf meinem Zettel. Längst überfällig also ein Besuch im Nou Camp, der mit dem Champions-League-Spiel zwischen dem FC Barcelona und Werder Bremen endlich in die Realität umgesetzt werden sollte. Für den regulären Preis von 71 Euro an der geöffneten Abendkasse hieß es endlich hinein ins Vergnügen.
Vorab ein wenig Zahlen-Akrobatik. Exakt 98.260 Zuschauer fasst aktuell das "Neue Feld", das tatsächlich noch gar nicht so alt ist: Erst im September 1957 wurde die Schüssel eingeweiht, bis dato spielte "Barca" im 1922 errichteten Camp de Les Corts (40.000). Zunächst "nur" für 90.000 Zuschauer zugelassen, stieß das imposante Rund anlässlich der WM 1982 in neue Dimensionen vor. Die drei offenen Seiten erhielten einen dritten Rang (der überdachten Haupttribüne fehlt dieser bis heute), neue Flutlichter und zwei Anzeigetafeln folgten, und am Ende stand die schwindelerregende Zahl von 120.000. Die bekannte Problematik der Stehplatz-Abschaffung führte - trotz Verschwindens der Laufbahn und Absenkung des Spielfeldes - im Laufe der Jahre zur schrittweisen Reduzierung des Fassungsvermögens bis zur heutigen Zahl.
Klare Verhältnisse nach 20 Minuten
Immerhin 95.824 Zuschaer haben sich am letzten Vorrunden-Spieltag der Champions-League-Gruppe A eingefunden, um das Duell gegen den Bundesliga-Tabellenführer zu sehen. Tatsächlich steht auch einiges auf dem Spiel: Nur ein Sieg bringt "Barca" ins Achttelfinale, schon bei einem Remis würde Werder statt des Titelverteidigers in die Runde der letzten Sechzehn einziehen.
Kein Wunder also, dass bei Barcelona sowohl die Fans mit einer Choreo über die gesamte Gegengerade als auch die Mannschaft von Anfang an Gas geben. Ronaldinho bringt schon in der 13. Minute die Katalanen mit einem Geistesblitz in Führung und leitet kurze Zeit später mit einem genialen Pass auch das 2:0 durch Eidur Gudjohnsen (18.) ein. Die geschockten Bremer erholen sich nur langsam, kommen aber insbesondere nach der Pause immer wieder zu Chancen und schnuppern mehrfach am Anschlusstreffer. Der Startschuss zur Aufholjagd will aber einfach nicht fallen, und so muss sich Werder mit Rang drei zufrieden geben - im kommenden Jahr geht es folglich im UEFA-Pokal weiter.
Theater-Athmosphäre im weiten Rund
Keine zehn Minuten nach dem Abpfiff ist das Stadion fast komplett leer. Einzig die etwa 3000 mitgereisten Werder-Fans müssen noch im obersten Rang verharren und feiern sich und ihre Elf - und das, obwohl der Auswärtsblock im Nou Camp wahrlich wenig stimmungsfördernd ist. Während der 90 Minuten verriet einzig das Auge, dass die Grün-Weißen ihre Mannschaft mit vereinten Kräften anfeuerten - das Ohr konnte fast keine Gesänge vernehmen. Zu weit weg sind die Plätze, zu schnell verflüchtigt sich der Schall im spanischen Abendhimmel.
Da auch von "Barca"-Seite nicht viel kommt, herrscht über 90 Minuten eine Art Theater-Athmosphäre. Einzig hinter den Toren hat sich jeweils eine sangesfreudige Schar eingefunden - der Versuch, die Massen mitzuziehen, scheitert jedoch in nahezu allen Fällen. Für mehr als ein Olè scheint der FCB-Fan an sich einfach nicht zu haben.
Zum Abschluss als kleine Spielerei die neue Top Ten der größten von mir besuchten Stadien:
| Stadt | Stadion | Fassungsvermögen | ||
| Rio de Janeiro | Estadio Jornalista Mario Filho ("Maracana") | 103.022 | ||
| Barcelona | Nou Camp | 98.260 | ||
| Mailand | Stadio Giuseppe Meazza | 85.776 | ||
| Dortmund | Westfalenstadion | 83.000 | ||
| Rom | Stadio Olimpico | 80.885 | ||
| Paris | Stade de France | 79.959 | ||
| Buenos Aires | Estadio Monumental Antonio Vespucio Liberti ("River Plate") | 76.687 | ||
| Berlin | Olympiastadion | 76.243 | ||
| Madrid | Santiago Bernabeu | 74.871 | ||
| Cardiff | Millennium Stadium | 74.000 |